Die hohen ökologischen und sozialen Ambitionen, die die B&O Gruppe mit diesem Wettbewerb in der Folge des Erfolges der „Einfach Bauen Häuser“ lanciert hat, teilen wir in vollem Maße. In unserem Beitrag haben wir uns regelrecht davon inspirieren und anstacheln lassen. Insbesondere darin, Dinge in Frage zu stellen. Das beginnt hier ganz wesentlich bei der Auslobung selbst – nämlich dem Wunsch nach luxuriösen freistehenden Chalets mit Einzelsuiten in einem schönen Park. Der Projektvorschlag setzt sich mit großer Freude fundamental davon ab. Vor dem Hintergrund aktueller Debatten um Nachhaltigkeit, Effizienz und letztlich eine gerechte Verteilung von Ressourcen vor allem auf globaler Ebene sind wir – insbesondere die westlichen Gesellschaften – gefordert unseren Konsum zu hinterfragen oder ihn mindestens anders zu denken und zu definieren. Erholung an einem schönen Ort ist dabei per se eigentlich nichts Schlechtes und hoffentlich auch in Zukunft möglich. Ein paar Dinge gibt es aber, die unserem Verständnis nach derzeit kaum mehr verhandelbar sind: (Neue) Einfamilienhäuser gehören sicherlich dazu – um ein brisantes zu nennen. Im gleichen Atemzug – freistehende Chalets (leider) auch. Wir wollen den erhobenen Zeigefinger aber nicht überstrapazieren – wir haben selbst schon das ein oder andere Einfamilienhaus geplant – auch Luxus. Wie könnte man aber im Zuge der wunderbaren Aufgabe und des wunderbaren Ortes für diesen Wettbewerb das unbestrittene Dilemma lösen? Wie beim „CO-2-neutralen Fliegen“? Mit Kompensationen? Luxus doppelt bezahlen – einmal den Luxus selbst und dann die Behebung der durch ihn angerichteten „Schäden“? Oder ist das zynisch? Tendenz ja.
Der vorliegende Entwurf möchte jedenfalls mit ungebrochenem Optimismus und (barocker) Lebensfreude das Dilemma in eine doppelt produktive Ausgangslage überführen. Zum einen indem auf einem möglichst kleinen Fußabdruck auf dem bestehenden Parkgelände nur ein einziges neues Gebäude errichtet wird. Dieses ist als ein effizientes, knapp 14 Meter tiefes und 25 Meter langes, dreigeschossiges, sehr kompaktes, ohne jegliche Versprünge im Dämmperimeter auskommendes „Mitten-im-Park-Haus“ gedacht. Ganz egalitär kommt allen Einheiten ein gleich guter Blick in diesen Park zu Gute und die Suiten selbst sind – unabhängig von Ihrer Größe und trotz der hohen Gebäudetiefe immer zu zwei Himmelsrichtungen orientiert – also durchgesteckt von Ost nach West. Im Erdgeschoss teilen sich alle Suiten eine große (Wohn-)Halle – ob das dann Kaminzimmer, Orangerie, Kammerkonzertsaal, Gemeinschaftsküche, Yogaraum oder etwas anderes sein wird, müsste sich im weiteren Verlauf der Planung zeigen. Die Halle steht mit ihrem Terrassendeck und den großzügig zu öffnenden bodentiefen Fenstern in intensiver, ganz direkter Wechselbeziehung zum Park.
Zum anderen soll dem Dilemma damit begegnet werden, dass zwei forschende Untersuchungsfelder aufgespannt werden: Die Erforschung des (effizienten) Wohnens und die Erforschung einer eigentlich funktional „neutralen“ Struktur – gekoppelt an hohe bau-, material-, haus- und kreislauftechnische Ambitionen. Das „Elf-Chalets-Haus“ ist eigentlich ein nutzungsneutrales Testhaus – eine Struktur bestehend aus einem einfachen zweischiffigen Raster, das an der Mittelachse um die Hälfte in Längsrichtung verschoben ist. Dazu zwei punktsymmetrisch angeordnete Treppenhauskerne und eine durchgehende ca. zwei Meter breite Technik- und Sanitärzone an den Fassaden. Und zu guter Letzt einem vorgestellten Rankgerüst an der Ost- und Westfassade als natürlichem Schatten- und Kühlespender.
Ausgangspunkt des Entwurfes stellt für uns eine (Rück-)Übersetzung des Suiten-Programms in die Förderkriterien des sozialen Wohnungsbaus (EOF) dar und darauf aufbauend die Entwicklung einer „nutzungsoffenen“ Struktur: Konkret zunächst für eine Mischung aus 2-, 3- und 4-Zimmer Wohnungen – 55 qm, 75 qm, 90 qm groß. Die Herausforderung besteht ähnlich wie schon Heinrich Tessenow über die Kleinwohnung sagte in der Größe. Also der Kleinheit der Wohnungen und einer wirtschaftlichen Tragstruktur, die gleichzeitig als selbst gestecktes Ziel eine Umnutzung – etwa in ein Schulhaus – zulassen würde. Die Struktur operiert diesbezüglich flächen- und raummäßig präzise an den EOF-Förderkriterien. Sie verschafft sich aber mit dem ernst gemeinten „pilotprojekthaften“ Trick einer Loggia oder eines Wintergartens, die unbeheizt sind, aber innerhalb des Dämmperimeters liegen und damit in ihrer Lage völlig flexibel sind, etwas Luft im engen Flächenkorsett. Die Loggia wird nur zu 25% in die Wohnfläche gerechnet. Zudem arbeitet die Struktur mit einer hohen volumetrischen und statischen Reserve. Die Raumhöhen sind mit 3,26 m sehr großzügig bemessen, lassen aber in Anlehnung an „Einfach Bauen“ bauklimatische Mitnahmeeffekte erwarten und dienen gleichzeitig als Ausgangspunkt der Nutzungsneutralität. Hinsichtlich der Statik münzen wir den Loggia-Trick nochmals in eine andere Richtung: Die Decken sind durchgehend für eine Last von 400 kg/qm ausgelegt. Das ermöglicht im Wohnungsbaufall eine freie Platzierung der Loggien mit ihren erhöhten Verkehrslasten an jeder Stelle des Grundrisses und im Falle einer Schulnutzung erfüllt es die gesetzlichen Lastauflagen.
Und was hat das jetzt alles mit dem Wunsch nach schönen, großzügigen Suiten zu tun?
Die Suiten sind sozusagen das temporär bewohnte Mock-up des EOF-Hauses und der Teststand oder auch Prototyp für die Struktur und ihre haus- und klimatechnischen Raffinessen. Sie operieren gleichzeitig mit transluzenten Schiebeelementen, wo im Falle der Nutzung der Wohnungen durch mehrköpfige Haushalte eher einfache Leichtbauwände und Türen zum Einsatz kämen. Die Schiebeelemente sind aber aufgrund ihrer „Mobilität“ dazu geeignet die verschiedensten Raumgrößen und Raumbezüge – im Sinne des Mock-ups zu simulieren und zu erforschen – immerhin.
Solidarische Suiten
Aber nochmals zurück ans „Eingemachte“ wie man so schön sagt. Denn einfach nur den Luxus, eine als EOF-Wohnung gedachte Einheit nun als großzügige, teuer möblierte Suite zu nutzen oder zu testen, hielten wir eher und zu Recht für schwierig. Das „Elf-Chalets-Haus“ sollte also noch viel weitergehend ein solidarisches und ökologisches Testhaus sein – evtl. durch Nutzungsmischung, Offenheit für „jederfrau“ und Querfinanzierung und Querbelegung von Anfang an. Oder – pragmatischer Vorschlag – man baut das Haus einfach zweimal auf dem Gelände, einmal als Hotel im Park und einmal als Wohnhaus mit geförderten Wohnungen in der „City of Wood“. Die Hotelnutzer finanzieren dabei die Baukostenlücke, die beim EOF-Bau entsteht, da die nachhaltige Struktur erfahrungsgemäß mehr als ein herkömmlich optimiertes Wohnhaus kosten wird, mit einem genau definierten und transparentem Aufschlag auf den Übernachtungspreis mit. Solidarität und Teilen als der eigentliche Luxus für alle. Das wär mal was (gewesen) – liebe Millionär*innen!
Oder: Widerspruch der Konsumkritik könnte man sagen: Nimm zwei!
Programme Hotel
Location Bad Aibling – Mietraching
Client B&O Gruppe / B&O Parkhotel
Service Invited Competition
Team
Michaela Burchard, Reem Almannai, Florian Fischer
Uta Gehrhardt, Landscape
Images Leah Würschinger, Jonas Krause
The images are inspired or in the case of image 5 almost a copy of the photographs of Peter Zumthor’s first studio house.
Duration 2021